Ausnützen von Geschäftsgeheimnissen - Bundesanwaltschaft erhebt Anklage wegen Insiderhandels
27.08.2020 | 09:50
Die Bundesanwaltschaft hat gegen zwei Beschuldigte Anklage erhoben wegen Verrats bzw. Ausnützens von Geschäftsgeheimnissen, wirtschaftlichen Nachrichtendienstes und Bestechung Privater. Gegen einen dieser beiden Beschuldigten lautet die Anklage auch auf Ausnützen von Insiderinformationen.
Die Bundesanwaltschaft (BA) wirft Hans Ziegler, einem der beiden Beschuldigten, mehrfachen Verrat des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses (Art. 162 Abs. 1 Schweizerischen Strafgesetzbuchs [StGB] und Art. 6 i.V.m. Art. 23 Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb [UWG]), mehrfachen wirtschaftlichen Nachrichtendienst als schweren Fall (Art. 273 StGB), Sich bestechen lassen (Art. 322novies Abs. 1 StGB und Art. 4a Abs. 1 Bst. b i.V.m. Art. 23 UWG) sowie mehrfaches Ausnützen von Insiderinformationen (altArt. 40 Börsengesetz [BEHG] / Art. 154 Abs. 1 Finanzmarktinfrastrukturgesetz [FinfraG])* vor.
Dem zweiten Beschuldigten wirft die BA vor, das Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis mehrfach ausgenützt (Art. 162 Abs. 2 StGB und Art. 6 i.V.m. Art. 23 UWG)* sowie den Tatbestand des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (Art. 273 StGB) mehrfach und den Tatbestand der Bestechung (Art. 322octies StGB und Art. 4a Abs. 1 Bst. b i.V.m. Art. 23 UWG)* erfüllt zu haben.
Angeklagte Sachverhalte
Die BA hat auf Grundlage einer Anzeige der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA im April 2016 gegen Hans Ziegler ein Strafverfahren eröffnet wegen des Verdachts auf Ausnützen von Insiderinformationen. Nach der Feststellung neuer Sachverhalte wurde das Strafverfahren im Juli 2017 ausgedehnt auf den zweiten Beschuldigten sowie auf die Straftatbestände der Verletzung des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses und der Bestechung Privater.
Nach Ermächtigung zur Strafverfolgung durch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement EJPD hat die BA im Mai 2018 das Strafverfahren gegen beide Beschuldigte auch auf den Straftatbestand des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes ausgedehnt. Dieser Tatbestand wird verfolgt, wenn ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis unter anderem einer ausländischen privaten Unternehmung oder ihren Agenten zugänglich gemacht wird.
Die BA erhebt Anklage, weil Hans Ziegler als Verwaltungsrat einer Gesellschaft im Zeitraum zwischen Ende 2013 und November 2016 mehrfach Geschäftsgeheimnisse an den zweiten Beschuldigten verriet, zu deren Bekanntgabe er nicht befugt war. Dieser Vorwurf ergibt sich zur Hauptsache im Zusammenhang mit dem Verkauf einer ausländischen Tochtergesellschaft an eine ebenfalls ausländische Kaufinteressentin, deren Berater der zweite Beschuldigte war. Der Vorwurf des Sich-Bestechen-Lassens ist darin begründet, dass Hans Ziegler nach Abschluss der Verkaufstransaktion für die erfolgte Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen eine in Aussicht gestellte Entschädigung in der Höhe von CHF 150'000 einforderte und über eine ihm gehörende Gesellschaft auch angenommen hat.
Des Weiteren wirft die Anklage Hans Ziegler vor, dass er als Verwaltungsrat von vier börsenkotierten Unternehmen sowie als Senior Advisor von zwei Beratungsgesellschaften mehrfach Insiderinformationen für Handelsgeschäfte mit Effekten von insgesamt elf Gesellschaften ausnützte. Damit realisierte er für sich und zwei ihm zuzurechnende juristische Personen einen Gewinn von knapp CHF 2 Mio.
Gegen den zweiten Beschuldigten erhebt die BA Anklage, weil dieser im Zeitraum zwischen Ende 2013 und November 2016 die von Hans Ziegler verratenen Geschäftsgeheimnisse mehrfach für seine Tätigkeit selber ausnützte. Der Vorwurf des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes ist darin begründet, dass er Geheimnisse von zwei Gesellschaften nach seinem Ermessen mehrfach Dritten im Ausland zur weiteren Verwendung zustellte. Der Anklagevorwurf der Bestechung ergibt sich aus dem Umstand, dass er Hans Ziegler für erhaltene Geschäftsgeheimnisse die oben genannten CHF 150'000 versprach und deren Auszahlung veranlasste.
Hinweise im Zusammenhang mit der Anklageerhebung
Die BA wird ihre Anträge anlässlich der Hauptverhandlung vor dem Bundesstrafgericht (BStGer) stellen. Für die Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung bis zu einem rechtskräftigen Urteil. Mit Einreichung der Anklage ist das BStGer für weitere Informationen zuständig.
* Hinweise zu den Rechtsgrundlagen:
Verletzung des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses: Die Verfolgung des Verrats und des Ausnützens von Geschäftsgeheimnissen nach Art. 162 StGB und Art. 4a Abs. 1 Bst. b i.V.m. Art. 23 UWG erfolgt nur auf Strafantrag eines Geschädigten.
Wirtschaftlicher Nachrichtendienst: Die Strafverfolgung wegen Zugänglichmachens eines Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses einer fremden amtlichen Stelle oder einer ausländischen Organisation oder privaten Unternehmung oder ihren Agenten nach Art. 273 StGB erfolgt von Amtes wegen und erfordert die Ermächtigung des Bundesrates nach Art. 66 Abs. 1 des Bundesgesetztes über die Organisation der Strafbehörden des Bundes StBOG.
Bestechung Privater: Die Bestechung Privater wird nach Art. 4a Abs. 1 UWG in Verbindung mit Art. 23 UWG auf Antrag verfolgt, wenn die Tathandlung vor dem 1. Juli 2016 begangen wurde. Handlungen ab dem 1. Juli 2016 werden nach Art. 322octies und 322novies StGB von Amtes wegen verfolgt.
Ausnützen von Insiderinformationen: Für Tathandlungen, welche zwischen dem 1. Mai 2013 und Ende 2015 erfolgten, ist der frühere Art. 40 des Börsengesetzes BEHG, für Tathandlungen ab dem 1. Januar 2016 ist Art. 154 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes FinmaG massgebende Rechtsgrundlage.