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Kein Tabu Thema - Häusliche Gewalt ist keine Privatsache

Hierbei ist die Konfliktlösung keine Privatsache mehr, vor allem dann nicht, wenn Kinder beteiligt sind (Bildquelle: SKP)

Das Zuhause, das eigene Heim: eigentlich der Ort, an dem man sich mit seiner Familie, seinen Liebsten in Sicherheit fühlen sollte. Doch leider finden wir die Sicherheit dort nicht immer: Wenn in den eigenen vier Wänden, also zwischen Menschen, die sich eigentlich nahestehen, Konflikte vorherrschen und mit Gewalt ausgetragen werden, dann spricht man von «Häuslicher Gewalt».

Hierbei ist die Konfliktlösung keine Privatsache mehr, vor allem dann nicht, wenn Kinder beteiligt sind.

Phänomen und typische Merkmale

Wie zeigt sich Häusliche Gewalt?

Typische Merkmale häuslicher Gewalt

Typische Merkmale häuslicher Gewalt (Bildquelle: SKP)

Rechtslage

Seit dem 1. April 2004 gilt gemäss Strafgesetzbuch (StGB), dass einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 2 Abs. 3-5 StGB), wiederholte Tätlichkeiten (Art. 126 Abs. 2 Bst. b, bbis und c StGB), Drohung (Art. 180 Abs. 2 StGB) sowie sexuelle Nötigung (Art. 189 StGB) und Vergewaltigung (Art. 190 StGB) in Ehe und Partnerschaft Offizialdelikte sind. Das heisst, dass diese Delikte von Amtes wegen verfolgt werden, sobald die Polizei Kenntnis von ihnen hat.

Verfolgt werden sowohl Gewalthandlungen zwischen Ehepartnern als auch zwischen heterosexuellen oder gleichgeschlechtlichen Lebenspartner/-innen mit einem gemeinsamen Haushalt auf unbestimmte Zeit oder bis zu einem Jahr nach deren Trennung. Die zwischen Lebenspartner/-innen begangenen Gewalthandlungen werden von Amtes wegen verfolgt, auch wenn diese je einen eigenen Wohnsitz haben oder getrennt leben oder bis zu einem Jahr nach der Scheidung resp. Trennung.

Das Zivilgesetzbuch (ZGB) verpflichtet die Kantone zudem dazu, den Opfern von Gewalt, Drohungen und Nachstellungen Schutzmassnahmen zu gewähren, nämlich die Wegweisung der gewaltausübenden Person, Annäherungs- und Kontaktverbote sowie ein Verbot, sich an bestimmten Orten aufzuhalten. In den kantonalen Polizeigesetzgebungen bzw. in eigens erstellten Gewaltschutzgesetzen ist folglich geregelt, wie lange eine Person von ihrem Wohnort weggewiesen werden kann und in allen Kantonen können Rückkehr- und Annäherungsverbote ausgesprochen werden.

Die Gesetzgebung rund um das Thema häusliche Gewalt versucht den speziellen Umständen der betroffenen Personen gerecht zu werden und hat deshalb einige Besonderheiten vorgesehen, wie z.B. bestimmte Möglichkeiten, das Verfahren auf Antrag des Opfers einzustellen oder besondere Schutzrechte für Opfer im Strafverfahren.

Alle Opferberatungsstellen und andere auf häusliche Gewalt spezialisierten Institutionen bieten überdies Rechtsberatungen an und stellen detaillierte Informationen zur Rechtslage zur Verfügung.

Was tut die Polizei?

Bei ihrer Arbeit stellt die Polizei den Opferschutz an erste Stelle und kümmert sich dann darum, die Täterschaft zur Verantwortung zu ziehen. Idealerweise verläuft eine polizeiliche Intervention folgendermassen: Die Polizei lässt sich von den Opfern an Ort und Stelle über den Vorfall informieren. Sie befragt das Opfer getrennt von der gewaltverdächtigten Person. Sie klärt ab, ob Dinge passiert sind, die gegen das Strafgesetz verstossen. Bei erkennbaren Körperverletzungen begleitet sie das Opfer zur medizinischen Behandlung. Die Polizei informiert die Betroffenen über die möglichen rechtlichen Schritte. Weibliche Opfer werden, soweit möglich, von einer Polizistin befragt.

Nach polizeilichen Einsätzen, in die Kinder und Jugendliche involviert sind, informiert die Polizei die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB). Diese Behörde ist für die Abklärung der Situation und allfällige Massnahmen zum Schutz der Kinder zuständig. Die Benachrichtigung der KESB oder anderer auf Kinder spezialisierte Angebote bedeutet in den seltensten Fällen, dass die Kinder fremdplatziert werden. Vielmehr geht es darum, den betroffenen Kindern die bestmögliche Unterstützung zu ermöglichen.

Wurde Gewalt ausgeübt oder in massiver Weise angedroht und werden die Beteiligten weiterhin von der gewaltausübenden Person bedroht, kann die Polizei sofortige Massnahmen wie die Wegweisung der gewaltausübenden Person, ein Betretverbot der Wohnung oder ein Kontaktverbot anordnen. Solche Schutznormen dienen dem Opferschutz und es gibt sie in allen Kantonen. Diese Massnahmen gelten aber nur für kurze Zeit, nach einigen Wochen laufen sie ab. Die von häuslicher Gewalt betroffene Person muss aktiv werden und ein zivilrechtliches Verfahren vor Gericht einleiten, um einen längerfristigen Schutz durchsetzen zu können.

Wird nach dem Einschreiten der Polizei eine Strafuntersuchung gegen die gewaltausübende Person geführt und geht es um schwerere Delikte, kann die Strafuntersuchungsbehörde sogenannte Ersatzmassnahmen wie z.B. ein Kontakt- oder ein Rayonverbot erlassen, die an Stelle von Untersuchungshaft treten. Diese Ersatzmassnahmen dienen nicht primär dem Opferschutz, sondern stellen sicher, dass die beschuldigte Person der Bestrafung zugeführt werden kann. Hält sich die beschuldigte Person nicht an diese Massnahmen, wird sie wieder in Untersuchungshaft genommen.

Im Falle akuter Gewalt- oder Bedrohungslagen gibt es rund um die Uhr den Polizeinotruf (Tel. 117).

Was kann ich tun?

(Potenziell) Gewaltbetroffene

Gewaltbetroffene (Bildquelle: SKP)

Wenn keine akute Gewaltsituation vorhanden ist, Sie jedoch in einer Beziehung leben, in der Sie sich in Ihren Freiheiten eingeschränkt fühlen, wenn Sie sich Ihrem Partner/Ihrer Partnerin nicht gewachsen fühlen oder Konflikte vorherrschen, reden Sie darüber! Kontaktieren Sie Freunde und Freundinnen oder eine Beratungsstelle. Es ist keine Schande, eine schlecht funktionierende Beziehung ändern zu wollen und sich Hilfe zu suchen. Im Gegenteil, brechen Sie Ihr Schweigen!

Wenn Sie sich bedroht fühlen oder sich gar schon in einer akuten Gewaltsituation befinden, rufen Sie die Polizei: Notruf 117. Die Polizei kann bei akuter Gewalt einschreiten, den Täter/die Täterin sofort aus der Wohnung weisen, dem Täter/der Täterin verbieten, gewisse Gebiete zu betreten und/oder Sie und Ihre Kinder zu kontaktieren. Dank den Schutzmassnahmen können Sie (und Ihr/e Kind/er) zu Hause bleiben und die nächsten Schritte planen.

(Potenziell) Gewaltausübende

Gewaltausübende (Bildquelle: SKP)

Wenden Sie sich an eine Beratungsstelle für gewaltausübende Personen oder suchen Sie andere Unterstützungs- und Hilfsangebote (Hausarzt, Psychotherapie, Suchtberatungsstelle etc.) auf. Für gewaltausübende Männer bietet der Fachverband Gewaltberatung Schweiz (FVGS) Adressen bezüglich Hilfe für Gewaltausübende (Gewaltberatungsstellen und Lernprogramme) an. Gewaltausübende Frauen können sich bei der Opferhilfe über mögliche Angebote in der Wohnregion informieren.

(Potenzielle) Zeuginnen und Zeugen

Zeuginnen und Zeugen (Bildquelle: SKP)

Wissen oder ahnen Sie, dass in Ihrem Bekanntenkreis Gewalt geschieht? Hören Sie in Ihrer Nachbarschaft Hilfeschreie, oder gibt es andere Hinweise auf Misshandlungen? Zeigen Sie Zivilcourage, aber spielen Sie nicht den Helden/die Heldin. Etwas zu unternehmen heisst bei Weitem nicht immer, direkt einzugreifen. Erkundigen Sie sich bei anderen Nachbarn oder Familienangehörigen, ob diese auch schon Beobachtungen gemacht haben oder sogar bereits aktiv geworden sind.

Es ist aber auf jeden Fall richtig, dass Sie etwas tun. Rechtzeitiges Handeln kann Leben retten.

Beratungsstellen

Beratungsstellen (Bildquelle: SKP)