Ginge es nach der Polizei, dann würde der Fall "Tracey Splinter" zu den Akten gelegt. Wären da nicht die verzweifelten Eltern der Südafrikanerin. Bis heute ist völlig unklar, ob die 45-Jährige noch am Leben ist. Fakt ist: Die letzte bekannte Spur führt ins Bündnerische Vals. Dieser Anhaltspunkt ist heute genau ein Jahr alt.
Unlängst holte der ehemalige deutsche Kriminalhauptkommissar Reinhard Knapp Splinters Gepäck in Vals ab. Ihrem letzten bekannten Aufenthaltsort.
Anfänge in Deutschland
Der mysteriöse Fall nimmt seinen Anfang in Barsinghausen bei Hannover. Bis Juli 2016 war die Frau mit deutschem Pass dort in einem Mehrfamilienhaus gemeldet. Die Miete der Südafrikaner wurde vom Jobcenter direkt an die Hausverwaltung überwiesen. Was man in Deutschland unter Jobcenter kennt, ist in der Schweiz ein Mix zwischen Sozialamt und regionaler Arbeitsvermittlung. Die Vermisste scheint demnach also arbeitslos gewesen zu sein.
Im Laufe des Jahres bleiben Lebenszeichen von Splinters plötzlich aus. Weder Eltern noch Freunde hören je wieder von ihr. Daher wird in Barsinghausen eine Vermisstmeldung aufgegeben. Die deutsche Polizei nimmt die Ermittlungen auf, bislang ohne Erfolg.
Von der Verzweiflung angetrieben, kontaktieren die Detektei "L & K Hannover". Reinhard Knapp und sein Kompagnon übernehmen den Fall.
Lebenszeichen im Kanton Graubünden
Im August 2016 taucht Splinter wie aus dem Nichts wieder auf. In Vals im Kanton Graubünden. "Wir wissen, dass sie zu dieser Zeit in den beiden Hotels 'Alpina' und 'Schnider' gewohnt hat", erzählt Knapp gegenüber der "Südostschweiz". Die Übernachtungen habe sie stets bar bezahlt. Auf ihren Konten herrschte seit ihrem Verschwinden keinerlei Bewegung mehr. Um keine Spuren zu hinterlassen?
Nach ihren Nächtigungen im "Alpina" und "Schnider" wollte Splinter im September 2016 im Valser Nobelhotel "7132" einchecken. Kostenpunkt für ein Zimmer mit Frühstück: ab 450 Franken aufwärts. An der Rezeption hält die 45-Jährige ihre Kreditkarte vor. Diese weist allerdings zu wenig Deckung auf. Halb so wild, denn Splinter möchte ohnehin lieber bar bezahlen. Als ihr klar wird, dass sie ihr Bargeld im Nobelschuppen nicht los wird, stampft sie wütend aus der Hotelhalle.
Gepäck aufgefunden
"An der Postautohaltestelle gleich beim Hotel '7132' wurde am 29. September 2016 ihr Gepäck gefunden. Ein Rollkoffer mit Kleidern, ein Rucksack. Laptop, Fotoapparat, Handy, Wanderstöcke und diverse persönliche Dokumente", gibt Knapp gegenüber der "Südostschweiz" zu Protokoll. Die letzte echte Spur von Tracey Splinter.
Im August 2016 sei die Gesuchte mit dem Postauto nach Vals gereist. Das haben Ermittlungen der Detektei aus Hannover ergeben. "Über eine eventuelle Abreise wissen wir nichts: Das Postauto hat sie nicht genommen. Ein Taxi auch nicht." Sämtliche Recherchen vor Ort seien ins Negative verlaufen.
Karte von Chur entdeckt
Beim Durchforsten von Splinters Gepäck stösst Knapp auf eine Karte von Chur. Mit einem Kugelschreiber hat sie den Asia Market Vannavong an der Ringstrasse 111 in Chur eingezeichnet. "Ich habe dort, aber auch in anderen Läden in der Umgebung wie Coop und Migros ihr Bild gezeigt, doch niemand hat sie gesehen."
Der pensionierte Kriminalhauptkommissar möchte nun noch einen letzten Anlauf unternehmen, um doch noch Klarheit in die rätselhafte Geschichte zu bringen. "Sie könnte natürlich auch in Vals tödlich verunfallt sein, aber dann hätte man sie doch schon längst gefunden." Wer allfällige Angaben machen kann, die zum Auffinden der Frau führen könnten, möge sich bitte beim Touristenbüro in Vals oder der Kantonspolizei Graubünden melden, so die Bitte von Knapp.
Artikelfoto: Südostschweiz