Im Zuge umfangreicher und seit Oktober 2019 andauernder Ermittlungen ist es der Kantonspolizei Bern in enger Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden der Ukraine und Georgien sowie mit Unterstützung von Europol, Eurojust und Fedpol gelungen, eine professionell organisierte und aus dem Ausland operierende Tätergruppierung zu identifizieren, die mutmasslich Online-Anlagebetrüge und Geldwäschereihandlungen sowohl in der Schweiz als auch im Ausland begangen haben dürfte. Die Täterschaft errichtete ein ausgedehntes Konstrukt mit Strohfirmen und dazugehörigen Bank- und Kryptowährungskonten und betreibt weit über hundert mutmasslich betrügerische Webseiten in Zusammenhang mit Online-Investitionen. Diese mutmasslichen Betrüge hatten bis dato – europaweit betrachtet – finanzielle Schäden in hundertfacher Millionenhöhe mit zehntausenden Geschädigten zur Folge.
Im Oktober 2019 ging bei der Kantonspolizei Bern eine Anzeige wegen Online-Anlagebetrugs ein. Das Opfer hatte sich auf einer Tradingplattform registriert, woraufhin ein Agent telefonischen Kontakt aufnahm und die betroffene Person dazu bewegen konnte, eine Ersteinzahlung zu leisten. In der Folge gewann der Agent das Vertrauen der geschädigten Person und forderte sie auf, ein Fernzugrifftool auf ihrem Computer zu installieren. Gleichzeitig wurde durch den Broker zusätzlich eine Trading Software installiert, worauf die zuvor einbezahlte Summe und die angebliche Gewinnentwicklung dieser und weiterer Investitionen ersichtlich waren. Die Spezialisten des Dezernats Digitale Kriminalität und des Fachbereichs Digitale Forensik nahmen unter der Leitung der kantonalen Staatsanwaltschaft für besondere Aufgaben umfangreiche Ermittlungen auf.
In deren Zuge gelang es die Standorte der täterseitig genutzten Computersysteme zu lokalisieren, diese zu beschlagnahmen und so insgesamt mehr als 50 Terabyte Daten systematisch auszuwerten. Gestützt darauf ergaben sich Hinweise, wonach die Tätergruppierung ein Call-Center in der Ukraine betreiben dürfte, woraufhin die Kantonspolizei Bern mit den ukrainischen Strafverfolgungsbehörden in Kontakt trat und gemeinsam weiterführende Ermittlungsmassnahmen aufnahm. Im Zuge der gemeinsamen Ermittlungen konnten drei weitere Call-Center in der Ukraine identifiziert werden, die mutmasslich derselben Tätergruppierung angehörten. Gegen Ende Dezember 2020 konnten die bernischen und ukrainischen Ermittler in Erfahrung bringen, dass ein Call-Center in der Ukraine inzwischen an einen unbekannten Ort umgezogen war. Aufgrund dieses Umstandes und des Ausbruchs des Krieges mussten die Ermittlungen zwischenzeitlich unterbrochen werden.
Als im Oktober respektive November 2022 zwei weitere Anzeigen wegen Online-Anlagebetrugs bei der Kantonspolizei Bern eingegangen waren, konnte im Zuge der aufgenommenen Ermittlungen festgestellt werden, dass es sich hierbei um denselben Modus Operandi der gleichen Tätergruppierung handeln dürfte, diese aber inzwischen von Georgien aus tätig war. Auch hier nahmen die Spezialisten des Dezernats Digitale Kriminalität der Kantonspolizei Bern in der Folge mit den georgischen Strafverfolgungsbehörden Kontakt auf.
Im ersten Halbjahr 2023 fanden dann sowohl in der Ukraine als auch in Georgien verschiedene Ermittlungsmassnahmen, unter anderem Hausdurchsuchungen, Anhaltungen, Verhaftungen, Sicherstellungen von weiteren Computersystemen und Aktionen in den identifizierten Call Centern statt. Darüber hinaus wurden mit Unterstützung von Europol und Eurojust anlässlich einer koordinierten Aktion in diversen Ländern zahlreiche Bankkonten gesperrt, die mutmasslich indirekt der identifizierten Tätergruppierung zugehörig sind. Die Ermittlungen sind nach wie vor im Gange. Es kann aktuell nicht ausgeschlossen werden, dass die Täterschaft nach wie vor grossflächig aktiv ist.
Vor diesem Hintergrund warnt die Kantonspolizei Bern vor zwar seriös wirkenden, dennoch oftmals mutmasslich betrügerischen «Online Finanzinvestitionen» jeglicher Art. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Werbung auf Social-Media-Plattformen erscheint und/oder wenn nach der Kontaktaufnahme der Täterschaft telefonisch dazu aufgefordert wird, Fernzugrifftools auf die elektronischen Geräte zu installieren. Weitere Informationen zu dieser Betrugsmasche sind auf der Webseite der Kantonspolizei Bern unter Online-Anlagebetrug (Boiler Room Scam) oder www.cybercrimepolice.ch verfügbar.
Quelle der Polizeimeldung: Kapo BE