Von den im Kanton Zürich lebenden 10- bis 17-jährigen Jugendlichen gerieten im vergangenen Jahr 6’290 mit dem Gesetz in Konflikt – ein Rückgang um 5,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2023: 6’648). Auch die Jugendgewalt nahm ab: Insgesamt wurden 954 Jugendliche verzeigt – 4,2 Prozent weniger als im Vorjahr (2023: 996). Roland Zurkirchen, Leitender Oberjugendanwalt, ordnet diese Entwicklung jedoch differenziert ein: «Wir wissen, dass Jugendkriminalität wie auch Jugendgewalt in Wellenbewegungen verlaufen». Gesellschaftliche und geopolitische Ereignisse hätten einen starken Einfluss. «Im Mehrjahresvergleich stellen wir fest, dass rund 5 Prozent der Jugendlichen mit dem Gesetz in Konflikt geraten».
Strafen und Schutzmassnahmen 2024
Im vergangenen Jahr erliessen die fünf Jugendanwaltschaften des Kantons Zürich 5’041 Strafbefehle, in 51 Fällen erhoben sie Anklage bei den Jugendgerichten. Da es sich bei einem Grossteil der erledigten Fälle um leichte bis mittelschwere Delikte handelte – etwa Fahren ohne Billett oder kleinere Vermögensdelikte wie geringfügige Diebstähle und Sachbeschädigungen, waren auch die ausgesprochenen Sanktionen entsprechend gelagert. Insgesamt verhängten die Jugendanwaltschaften 4’694 Strafen (2023: 5’524): In rund 64 Prozent der Fälle wurde ein Verweis ausgesprochen, vergleichbar mit einer gelben Karte im Fussball.
Persönliche Leistungen und Bussen wurden in 15 bzw. 19 Prozent der Fälle angeordnet. Freiheitsentzüge machten 2 Prozent aus, Strafbefreiungen 0,1 Prozent beziehungsweise 5 Fälle.
Wie schon in den Vorjahren haben die Jugendanwaltschaften Gewaltstraftaten prioritär und im direkten Gespräch mit den Jugendlichen behandelt. 3’995 Strafbefehle (rund 79 Prozent) von minderschweren Delikten wurden schriftlich erlassen. Die Ausgaben für Schutzmassnahmen gingen auf 17,4 Mio. Franken zurück (2023: 19,3 Mio. Franken).
Verurteilungen 2024
Die Jugendanwaltschaften verurteilten 25,7 Prozent der straffälligen Jugendlichen wegen Verstössen gegen das Strassenverkehrsgesetz (2023: 16,6 Prozent), 15,8 Prozent wegen Vermögensdelikten (2023: 17,8 Prozent), 5,4 Prozent wegen Delikten gegen die Freiheit wie Hausfriedensbruch, Drohung und Nötigung (2023: 5,3 Prozent), 4,9 Prozent wegen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz – ein Wert, der seit 2017 kontinuierlich sinkt (2023: 7,5 Prozent). 3,7 Prozent (2023: 3 Prozent) wegen Delikten gegen Leib und Leben sowie 2,2 Prozent wegen Delikten gegen die sexuelle Integrität (2023: 2,1 Prozent).
Der Anteil weiblicher Jugendlicher unter den Verurteilten nahm leicht ab und lag bei 25,9 Prozent (2023: 28,2 Prozent). Jugendkriminalität bleibt damit weiterhin primär ein männliches Phänomen. Die Verurteilungen ausländischer Jugendlicher lagen 2024 mit 40,7 Prozent über dem langjährigen Mittel von rund einem Drittel.
Herausforderungen 2024
Zwei Radikalisierungsfälle prägten medial das Jahr 2024: der Angriff eines 15-Jährigen auf einen orthodoxen Juden in Zürich-Selnau im März sowie Terrordrohungen eines 14- und eines 17-Jährigen im Vorfeld der Zürcher Pride im Juni. Die kommunikative Herausforderung bestand darin, den Spagat zwischen dem grossen nationalen und internationalen Interesse und dem im Jugendstrafrecht verankerten Schutz der Tatverdächtigen sowie einer unbeeinträchtigten Untersuchungsführung zu meistern.
Gleichzeitig waren die Aufgaben der Juristinnen und Juristen sowie der Sozialarbeitenden äusserst vielfältig. Radikalisierungsfälle müssen über Kantons- und Landesgrenzen hinweg angegangen werden. Die Informationsbeschaffung und Beweisführung gestalten sich dementsprechend aufwändig und zeitintensiv. Mit Blick auf die Tatverdächtigen gilt es, adäquate Strafen und Massnahmen aufzugleisen, die zu einem Disengagement, einer Deradikalisierung, führen.
Neben diesen beiden Fällen stellten auch immer jüngere Straftäter eine zunehmende Herausforderung dar. Während im Jahr 2019 rund 19 Prozent der jugendlichen Straftäter bei Eröffnung des Strafverfahrens zwischen 10 und 14 Jahre alt waren, stieg dieser Anteil bis 2024 auf fast 29 Prozent an. In dieser Altersgruppe, in der die Persönlichkeitsstruktur noch stark formbar ist, stehen angemessene Schutzmassnahmen mit erzieherischer und/oder therapeutischer Wirkung im Vordergrund. Die Jugendstrafrechtspflege leistet dabei intensive Abklärungs- und Koordinationsarbeit und arbeitet eng mit den Eltern sowie dem sozialen Umfeld zusammen, um eine positive Entwicklung zu ermöglichen.
Jugendstrafrechtspflege in Bewegung
Als Roland Zurkirchen vor rund einem Jahr seine Stelle als Leitender Oberjugendanwalt antrat, setzte er sich das Ziel, die Jugendstrafrechtspflege fit für die Zukunft zu machen. Er präsentierte dazu drei inhaltliche Schwerpunkte, die unter den Mottos «Kümmern», «Fordern» und «Gestalten» stehen. Neben verschiedenen internen Neuerungen zur Förderung einer neuen Diskussionskultur baut die Oberjugendanwaltschaft unter anderem die Fachstelle Mediation aus.
Auf nationaler Ebene hat Zurkirchen zudem erwirken können, dass nach dem Vorbild der Schweizerischen Staatsanwaltschaftskonferenz ein gesamtschweizerisches Gremium für Entscheidungsträger im Jugendstrafrecht gegründet wird. Es soll seine Arbeit 2026 aufnehmen.
Quelle der Nachricht: Staatskanzlei Kanton Zürich