Wallis

Ungelöst seit 1985 – Was geschah mit Sarah Oberson?

Sarah Oberson
Sarah Oberson (Bildquelle: Fondation Sarah Oberson)

Vor 40 Jahren verschwand die fünfjährige Sarah Oberson aus Saxon spurlos. Trotz grosser Suchaktionen und jahrzehntelanger Ermittlungen fehlt bis heute jede Spur. Der Fall gilt als einer der rätselhaftesten Vermisstenfälle der Schweiz.

Idyllische Landschaft, wenige Einwohner, eine ruhige Gegend und doch überschattet das Verschwinden eines kleinen Mädchens das Dorf bis heute.

Es ist ein sonniger Herbstnachmittag im Wallis, als am 28. September 1985 die fünfjährige Sarah Oberson aus Saxon spurlos verschwindet. Sie fährt mit ihrem Velo los, um ihre Grossmutter zu besuchen. Ein kurzer Weg, den sie gut kennt. Doch dort kommt sie nicht an.

Ihr Fahrrad wird später abgestellt vor der Turnhalle gefunden. Von Sarah fehlt jede Spur.

40 Jahre später ist ihr Verschwinden immer noch nicht geklärt.

Ein Kind verschwindet

Sarah verlässt am Nachmittag ihr Zuhause und fährt los Richtung Grossmutter. Der Weg führt sie durch ihr Dorf, mitten im Rhonetal. Mehrere Personen wollen sie noch in der Nähe der Turnhalle gesehen haben. Danach verliert sich jede Spur. Als die Eltern Sarah am Abend nicht finden, verständigen sie die Polizei.

Noch in der Nacht beginnt eine grossangelegte Suche: Polizisten, Freiwillige, Spürhunde, Helikopter. Doch weder im Dorf noch in den umliegenden Wäldern wird das Mädchen entdeckt.

Das einzige gefundene Objekt: ihr kleines rotes Fahrrad.

Der Verdacht einer Entführung steht früh im Raum.

Optimiertes Foto der fünfjährigen Sarah Oberson
Optimiertes Foto der fünfjährigen Sarah Oberson (Bildquelle: Fondation Sarah Oberson)

Ermittlungen über Jahrzehnte

Die Kantonspolizei Wallis und später die Bundeskriminalpolizei prüfen Hunderte Hinweise, vernehmen Dorfbewohner, durchsuchen Gebäude und Gelände. Verdächtig ist vieles, beweisbar nichts. Spuren führen ins Leere, Hinweise verlaufen im Sand.

Immer wieder tauchten Gerüchte und Verdächtigungen auf, natürlich auch im eigenen Dorf. Ein Mann geriet unter Verdacht, nachdem er Suizid beging. Der Schulabwart, der Sarah zuletzt gesehen haben soll, wurde unter immensen sozialen Druck gesetzt und verliess Saxon später. Beide Männer konnten nie mit der Tat in Verbindung gebracht werden.

Aktenzeichen XY und die Spur nach Österreich

Nachdem Sarahs Fall Ende November 1985 in der ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY … ungelöst» vorgestellt wurde – mit einer damals aussergewöhnlich hohen Belohnung von 50’000 Franken – hofften die Ermittler auf einen entscheidenden Durchbruch.

Ein Hinweis sorgte für kurze Hoffnung: Ein Zeuge aus Wien meldete sich und gab an, wenige Tage zuvor am Hauptbahnhof ein Schweizer Fahrzeug gesehen zu haben, neben dem ein Mann, eine Frau und ein kleines Mädchen standen. Das Kind habe er in der Fernsehsendung eindeutig wiedererkannt. Die Polizei prüfte die Spur intensiv, doch trotz glaubwürdiger Aussage führte sie zu keinem Ergebnis. Die erhoffte Wende blieb aus.

Ein dunkles Jahrzehnt: Entführungen und Verdachtsmomente

In den 1980er-Jahren verschwanden in der Schweiz 21 Kinder. Sieben von ihnen gelten bis heute als vermisst, die übrigen wurden tot aufgefunden. Zwölf dieser Fälle blieben ungeklärt. Die Häufung solcher Verbrechen prägte die Zeit als «dunkles Jahrzehnt» und löste landesweit grosse Bestürzung aus.

Zu den wenigen identifizierten Tätern gehörte Werner Ferrari. Er tötete zwischen 1971 und 1989 mehrere Kinder im Alter von sieben bis zehn Jahren. Eine Verbindung zu weiteren Fällen konnte jedoch nicht hergestellt werden.

Auch der französisch-belgische Serienmörder Michel Fourniret geriet vorübergehend in den Fokus der Schweizer Ermittler, doch ein konkreter Zusammenhang liess sich nicht belegen.

Ein Symbol für vermisste Kinder

Der Fall wurde zu einem Sinnbild dafür, wie ein Kind trotz grosser Suche spurlos verschwinden kann. 2002 gründete die Familie Oberson die „Sarah Oberson Stiftung“, die sich landesweit für vermisste und misshandelte Kinder einsetzt. Die Stiftung arbeitet in Prävention, Beratung und politischer Aufklärung und hält Sarahs Schicksal im öffentlichen Bewusstsein.

Offene Fragen

  • Wurde Sarah entführt – und wenn ja, wohin?

  • Gibt es Zeugen, die damals schwiegen und heute reden könnten?

  • Lassen sich alte Spuren mit moderner Technik heute anders auswerten?

  • Was bedeutet der Fundort ihres Fahrrads – hat sie dort selbst angehalten oder wurde das Rad bewusst platziert?

Die Polizei hält den Fall weiterhin offen, denn bei vermissten Kindern bleibt offen, ob sie verunglückten, wegliefen oder noch leben.

Hoffnung nach 40 Jahren

Für die Familie Oberson ist vor allem das Nichtwissen eine Qual. Bis heute hoffen sie auf Klarheit. Egal, ob die Wahrheit schmerzhaft ist oder nicht.

Die Ermittler betonen, dass selbst viele Jahre später ein einziger Hinweis genügen kann, um eine alte Akte wieder zu öffnen und vielleicht das zu beantworten, was seit 1985 unbeantwortet blieb.

Sarah Oberson bleibt verschwunden, aber nicht vergessen.