Gestützt auf die eidgenössische Jagdverordnung (JSV) und das Konzept Wolf Schweiz verfügt das Jagdinspektorat des Kantons Bern den Abschuss von Wölfin F78. Grund für diesen Entscheid ist der «erhebliche Schaden an Nutztieren», den die Wölfin verursacht hat. Ein solcher Schaden ist gemäss Artikel 9bis der Jagdverordnung unter anderem gegeben, wenn im Streifgebiet eines Wolfs «mindestens 35 Nutztiere innerhalb von vier Monaten getötet werden». Dabei zählen Nutztiere in Gemeinden ohne frühere Wolfspräsenz auch dann, wenn die Tiere ungeschützt waren. Im Fall von F78 waren es 36 solche Tiere.
Das Jagdinspektorat hat die Verfügung am 19. Februar 2021 dem Bundesamt für Umwelt und den Organisationen mit Verbandsbeschwerderecht eröffnet. Ziel ist, weitere Schäden am Nutztierbestand zu verhindern. Die Abschussbewilligung ist befristet bis Ende März 2021 und wird nur Wildhütern erteilt. Ab dem 1. April gilt für weibliche Wölfe bis Ende Juli ein besonderer Schutz für die Fortpflanzung und die Aufzucht von Jungtieren. Der Abschussperimeter umfasst die Gemeinden in der Region Gantrisch, im Stocken- und Gürbetal, auf dem Längenberg und die Gemeinde Köniz.
«Der Herdenschutz muss besser werden»
Alle von F78 gerissenen Tiere waren zwar eingezäunt, allerdings entsprach der Zaun nur in einem Fall den Anforderungen des Herdenschutzes. Das Jagdinspektorat und die kantonale Herdenschutzberatung bemühten sich intensiv, die Riss-Serie von F78 zu unterbrechen. Sie appellierten wiederholt an die Nutztierhalterinnen und -halter, den Schutz ihrer Tiere zu verbessern. Informationen per SMS, E-Mail, Newsletter, Beratungen durch den Herdenschutzbeauftragten des Kantons Bern, mehr Geld für wolfsichere Zäune und sogar eine Vergrämungsaktion: Keine der Massnahmen hatte ausreichend Erfolg. Zwar verstärkte ein Teil der Nutztierhalterinnen und -halter die Zäune oder stellte die Schafe über Nacht im Stall ein. Doch die Wölfin fand immer wieder ungenügend geschützte Tiere.
«Es gibt deshalb leider keine andere Möglichkeit als einen Abschuss», sagt Jagdinspektor Niklaus Blatter. Die Wölfin werde weiter Nutztiere reissen, weil es bisher zu einfach gewesen sei und sie sich inzwischen darauf spezialisiert habe. Er sei aber weiterhin überzeugt, dass ein Nebeneinander von Grossraubtieren und Menschen möglich sei. «So ein Fall darf sich nicht wiederholen», sagt Blatter und erinnert daran, dass die Gemeinden im Gürbetal und im Gantrischgebiet künftig als Gemeinden mit Wolfspräsenz gelten werden. In solchen Gemeinden mit Wolfspräsenz werden gerissene Nutztiere nur dann einem Abschusskontingent zugerechnet, wenn sie wolfssicher eingezäunt waren. «Klar ist, dass nun der Herdenschutz deutlich und nachhaltig besser werden muss.»
Hinweis
Die Wölfin F78 tauchte im Herbst 2020 erstmals auf
Die Geschichte von F78 begann am 11. Oktober in Toffen: Ein Wolf hatte drei Schafe gerissen, ein weiteres musste getötet werden. Mit der DNA-Probe wurde erstmals die Wölfin F78 in der Schweiz nachgewiesen. Vier weitere genetische Nachweise bei Rissen und viele Sichtungen im Gebiet lassen den Schluss zu, dass sämtliche Risse in der Region Gürbetal / Gantrisch zwischen dem 11. Oktober und dem letzten Vorfall am 8. Februar 2021 in Burgistein auf das Konto von F78 gehen. Insgesamt waren es 29 Vorfälle, bei denen die Wölfin 32 Tiere riss, 20 mussten getötet werden, vier Tiere gelten als vermisst. Für das Abschusskontingent zählen 22 gerissene und 14 notgetötete Tiere. Nicht zum Kontingent zählen jene Nutztiere, die nicht ausreichend geschützt waren, obwohl in der Gemeinde schon früher ein Wolf unterwegs war.