Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Bundesanwaltschaft gegen ein Urteil der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts ab. Die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts sprach einen Mann im Juli 2021 im Wesentlichen wegen Verstosses gegen Artikel 2 Absatz 1 des Bundesgesetzes über das Verbot der Gruppierungen "Al-Qaïda" und "Islamischer Staat" sowie verwandter Organisationen (Al-Qaïda/IS-Gesetz) schuldig. Gemäss dieser Strafbestimmung macht sich strafbar, wer sich auf dem Gebiet der Schweiz an entsprechenden Gruppierungen beteiligt, diese unterstützt, für sie oder ihre Ziele Propagandaaktionen organisiert, für sie anwirbt oder ihre Aktivitäten anders fördert. Der Betroffene wurde zu einer Freiheitsstrafe von 65 Monaten verurteilt. Abgewiesen wurde der Antrag der Bundesanwaltschaft auf Anordnung seiner Verwahrung. Das Bundesgericht weist die Beschwerde der BA ab, mit der sie verlangt, den negativen Entscheid über die Verwahrung des Täters aufzuheben.
Die Verwahrung setzt als Anlasstat eine in Artikel 64 Absatz 1 des Strafgesetzbuches umschriebene sogenannte Katalogtat oder eine andere mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat (Generalklausel) voraus. Artikel 2 Absatz 1 Al-Qaïda/IS-Gesetz ist keine Katalogtat.
Aus einer bundesrechtskonformen Auslegung ergibt sich, dass ein Verstoss gegen die fragliche Bestimmung nicht als Anlasstat für eine Verwahrung im Sinne der Generalklausel in Betracht kommt. In seiner Botschaft zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus hat der Bundesrat ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Verwahrung grundsätzlich nicht erfüllt seien, wenn einer Person lediglich die Beteiligung an einer terroristischen Organisation oder deren Unterstützung nachgewiesen werden könne.
Bei einer Person, die sich im Irak und in Syrien dem IS anschliesse und anschliessend in die Schweiz zurück wolle, sei eine Verwahrung grundsätzlich möglich, falls ihr schwerwiegende Delikte wie Mord oder Vergewaltigung nachgewiesen werden könnten. Artikel 2 Absatz 1 Al-Qaïda/IS-Gesetz bezweckt den Schutz der öffentlichen Sicherheit. Es werden schon Verhaltensweisen – namentlich die Beteiligung an einer verbotenen Gruppierung oder Organisation – im Vorfeld zu einer Straftat unter Strafe gestellt. Solche Verhaltensweisen erreichen mangels schwerer Beeinträchtigung der im Verwahrungsartikel aufgeführten Rechtsgüter (physische, psychische oder sexuelle Integrität) die vorausgesetzte Erheblichkeitsschwelle nicht. Kann dem Täter lediglich die Beteiligung an einer terroristischen Organisation im Sinne des Al-Qaïda/IS-Gesetzes nachgewiesen werden, ist das Vorliegen einer Anlasstat für die Anordnung einer Verwahrung somit zu verneinen.
Quelle: Bundesgericht